Scheer: Längere AKW-Laufzeiten gar nicht so einfach
Eine Abkehr vom Atomausstieg ist nach Ansicht von SPD-Energieexperte Hermann Scheer nicht so einfach wie von der Regierung angedacht. Die Energiekonzerne hätten angesichts des Atomausstiegs Investitionen in Sicherheitsmaßnahmen versäumt, so dass einige Meiler eigentlich sofort vom Netz gehen müssten.

Berlin (ddp/red) - Der SPD-Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer zweifelt nach dem Treffen von Vertreten der großen Energiekonzerne und der Bundesregierung an den angekündigten AKW-Laufzeitverlängerungen. Ein Ende des Atomausstiegs sei viel schwerer zu bewerkstelligen, als es sich die schwarz-gelbe Koalition gedacht habe, sagte Scheer am Freitag im Deutschlandradio Kultur. So habe die Atomindustrie angesichts des von Rot-Grün beschlossenen Atomausstiegs wichtige Investitionen insbesondere in die Sicherheitsmaßnahmen versäumt.
Mittlerweile gebe es neue Sicherheitsauflagen, die auch von der jetzigen Regierung verkündet worden seien, sagte Scheer: "Wenn sie da ernst macht, dann müssten heute sieben oder acht Atomkraftwerke eigentlich sogar sofort vom Netz gehen, etwa diejenigen, die gegen Flugzeugattacken nicht gesichert sind."
Erneuerbare nicht mit Atomkraft finanzieren
Eine Finanzierung regenerativer Energien aus Abgaben durch die Laufzeitverlängerungen lehnte Scheer, der Träger des Alternativen Nobelpreises ist, ab. "Man macht nicht etwas Gutes auf der Basis von der Verlängerung von etwas Schlechtem." Stattdessen gebe es die Möglichkeit einer "Atombrennstoffsteuer", über die nicht wie bei den geplanten Laufzeitverlängerungen mit den Energiekonzernen verhandelt werden müsse: "Das macht man, wenn man es für richtig hält."
Im Berliner Kanzleramt hatten am Donnerstagabend Vertreter der Kraftwerksbetreiber mit Amtschef Ronald Pofalla (CDU) und Staatssekretären der Ministerien für Umwelt und Wirtschaft gesprochen.
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Regierung will mit Stromanbietern über Atompolitik verhandeln
Die Bundesregierung hat Vertreter von Energieunternehmen und Ministerien für den 21. Januar zu Gesprächen über die Atompolitik nach Berlin eingeladen. Dies sagten mit den Planungen vertraute Personen am Dienstag der Wirtschaftsnachrichtenagentur Dow Jones Newswires.
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Früherer Atomlobbyisten soll Reaktorsicherheits-Chef werden
Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) will einen ehemaligen Atomlobbyisten zum Leiter seiner Abteilung Reaktorsicherheit machen. Wie die "Süddeutsche Zeitung" unter Berufung auf Regierungskreisen berichtet, soll der Jurist Gerald Hennenhöfer die Abteilung übernehmen.