RWE Energie: "Der mit den dicksten Muskeln muß zuerst antreten" - Stimmen zur Preiskampf-Offensive des größten Stromversorgers

Bei der RWE Energie "glühen die Drähte des Call-Centers", wie Venghaus ausführte. Die bundesweite Info-Hotline werde von zehntausenden Anrufern frequentiert und sei wegen des immensen Interesses 24 Stunden geschaltet. Zum Volumen der "Privatstrom"-Kampagne wollte sich Venghaus nicht äußern - klar aber ist, dass die RWE Energie in einer geradezu generalstabsmäßig durchgeführten Aktion knallblaue Werbeanzeigen in der kompletten Republik geschaltet hat. Man habe, so Venghaus, "von der Küste bis zu den Alpen" Aufmerksamkeit und Interesse erregen wollen: "Eine solche Aktion muss überraschen, muss zünden", stellte der RWE-Pressesprecher klar - da ist es nur konsequent, auch den am kommenden Sonntag stattfindenden Formel-1-Lauf mit TV-Spots zu versehen. "Wir gehen die Aktion offensiv und aggressiv an", gab sich Venghaus selbstbewusst.
Selbstbewusst gab sich Venghaus auch angesichts der Ankündigung konkurrierender Unternehmen, unter das Preisniveau der RWE Energie zu gelangen: "Wir warten mit einem verlockenden und attraktiven Angebot auf - jetzt werden wir mal sehen, was die Anderen machen". Die Konkurrenz müsse erst einmal das Angebot der RWE Energie zu unterbieten versuchen - auch hinsichtlich der kurzen Vertragslaufzeit: Im Rahmen der "Privatstrom"-Aktion unterschreiben neue Kunden lediglich einen Dreimonatsvertrag, sodann kann monatlich gekündigt werden. "Das gewährleistet eine hohe Kundensicherheit", so Venghaus. Die RWE Energie verspreche sich von der Aktion eine Geschäftsausweitung, schließlich sei die Marge zur Zeit noch unterschiedlich und der in Essen ansässige Konzern Preisführer auf dem Strommarkt. Sollten andere Anbieter unter das Angebot der RWE Energie gehen, müsse der Konzern "das austanzen". Davor, so Venghaus abschließend, habe man als Marktführer (138 Milliarden verkaufte Kilowattstunden Strom in 1998) keine Furcht.
Andernorts, bei der Konkurrenz, ist von panikartigen Aktionen - zumindest vordergründig - nichts zu spüren. Bei der PreussenElektra AG, dem zweitgrößten Stromversorger in Deutschland (106 Milliarden Kilowattstunden), reagiert man eigenen Angaben zufolge "gelassen" auf die Preisoffensive der RWE, wie Pressesprecherin Angela Ettl heute erklärte. Die Preisstruktur der PreussenElektra und ihrer Verteilerunternehmen, so Ettl, sei nach wie vor günstig und mitführend in der Bundesrepublik. Von der RWE-Kampagne, die unter dem Slogan "Sie haben ein Recht auf den günstigsten Strom in Deutschland" läuft, sei man durchaus überrascht gewesen - in erster Linie ob der öffentlichkeitswirksamen Breite und des doch recht frühen Zeitpunkts. "RWE hat jetzt was in Bewegung gesetzt, das wird nicht ohne Reaktionen bleiben", so Angela Ettl. Allerdings sei die PreussenElektra schon seit geraumer Zeit dabei, gleichgelagerte Aktionen vorzubereiten - ohne dabei konkrete Details oder eine Zeitschiene nennen zu wollen. Die kleineren Newcomer auf dem Strommarkt - darunter etwa die Ares-Energie (Berlin) oder die KaWatt (Köln) - hätten den Markt "sehr in Bewegung gebracht", gesteht Ettl ein. Allerdings werde man nicht nur auf die Angebote dieser kleineren Anbieter reagieren: "Im Wettbewerb will jeder jedem überlegen sein".
Diese Maxime nimmt auch die KaWatt AG für sich in Anspruch: "Wir werden 15 Prozent unter den Preisen der RWE sein",, heißt es bei der Stromhandelsgesellschaft, die - so KaWatt-Vorstand Robert H. Kyrion - den "Markt für private Haushalte aufbrechen will". Als Strombroker versucht die Kawatt AG, möglichst viele Verbraucher in einem "Strompool" zusammenzuführen, um sodann Tiefpreise mit Stromerzeugern aus dem In- und Ausland auszuhandeln. Eigenen Angaben zufolge vertreibt die KaWatt derzeit ungefähr 350 Millionen Kilowattstunden Strom an Großabnehmer, zudem verzeichne man "mehrere zehntausend" interessierte Verbraucher.
Die Preis-Offensive der RWE Energie drohe eine "Worthülse" zu bleiben, ließ am heutigen Freitag ein KaWatt-Sprecher verlauten.
Hinsichtlich der Ankündigung, die Preise um durchschnittlich 30 Prozent für Geschäftskunden im Nieder- und Mittelspannungsbereich zu senken, sei bis heute nichts passiert. Die Angebote der großen Anbieter seien verbraucherunfreundlich, da etwa - Beispiel Energie Baden-Württemberg AG (EnBW, am heutigen Freitag für keine Stellungnahme erreichbar) - Preissenkungen mit langen Vertragslaufzeiten einher gingen. Demgegenüber offeriert die KaWatt AG deutlich kürzere Vertragslaufzeiten. "Wir haben keine Angst und sind auch nicht von den großen deutschen Stromproduzenten abhängig", heißt es bei dem Newcomer. Und: "Wir holen zur Gegenoffensive aus - David gegen Goliath!"
Auch der drittgrößte Stromversorger der Republik, die Bayernwerk AG (73 Milliarden Kilowattstunden), macht jetzt mobil. Pressesprecher Erwin Haydn kündigte noch gestern "ein bundesweit individuelles und preislich interessantes Angebot" zum 1. September dieses Jahres an. Der Kunde, so Haydn, werde nach Vorlage dieses Angebots nicht mehr zu anderen Anbietern wechseln müssen. Konkrete Zahlen wollte er jedoch nicht nennen.
Thomas Liebau
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